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Entwickler und Modder in der Welt des Esports

Seattle am 8. August 2016. In der Mitte der Key Arena, sonst Heimstadion der ‚Seattle Storms‘ und ‚Seattle Redhawks‘, haben sich so eben die besten Dota2 Spieler der Welt versammelt. Auf den Rängen der ausverkauften Arena herrscht angespannt Vorfreude auf die ersten Matches des ‚Internationals‘. Matches, die darüber entscheiden, wer den Löwenanteil des Rekordpreispools von über 20 Millionen Dollar mit nach Hause nehmen darf. Soeben wurden die Teams unter dem Dröhnen epochaler Musik einzeln in die Halle gebeten, wo sie nun ein wenig verloren stehen bleiben. Plötzlich betritt ein dicklicher Mann mit Flipflops an den Füßen die Szene und begrüßt die Menge mit zittriger Stimme. Nach dem vorhergegangenen, eindrucksvoll inszenierten Spektakel wirkt diese kurze Ansprache seltsam holprig und ungelenk. Dennoch applaudieren die Fans frenetisch als der Mann nach nur anderthalb Minuten seine Rede beendet hat und die Bühne wieder verlässt, denn alle wissen, wer der Mann ist. Gabe Newell, Präsident und CEO von Valve, hält momentan mit Dota 2 und Counter Strike die Schlüssel zu den zentralen Spielen im Esport in seiner Hand. Spiele, die ihm einen Teil des 4,1 Milliarden Dollar großen Privatvermögens und Platz 810 auf Forbes Liste der reichsten Menschen der Welt einbrachten. Zeitgleich sind das aber auch die Spiele, die weder von Valve noch von irgendeinem anderen professionellen Entwicklerstudio erdacht wurden.

Alles beginnt, wieder einmal, bei den Herren von Id Software, die 1996 nicht nur Quake, sondern damit auch das ‚Software Development Kit‘ herausbrachten. Minh Le, Student an der Simon-Fraser-Universität, investierte nach eigenen Angaben in die Modding-Umgebung mehr Zeit als in sein Studium, worauf schnell die Mod ‚Navy Seals‘ als erste Variante von Counter Strike das Licht der Welt erblickte. Als nur zwei Jahre später Valve unter der Leitung von Gabe Newell und Mike Harrington mit ‚Half Life‘ einen Welterfolg landete, portierte Le, zusammen mit Jess Cliffe, daraufhin die Mod in die aktuellere Modding-Umgebung. Durch den Kopierschutz ‚Steam‘, der auch als Plattform und Server-Service für Half Life-Matches dient, erlangte die Mod eine große Popularität.

Ein neuer Name (‚Counter Strike‘) und viele Beta-Varianten später, investierte schließlich auch Valve selbst in das, was man heute wohl als Startup bezeichnen würde und übernahm die Entwickler später ganz. Kurze Zeit später erschien Counter Strike als eigenständiges Spiel und wurde 2004 als Counter Strike: Source in die gleichnamige Valve-Engine portiert, was zu einem bis heute andauernden Zerwürfnis innerhalb der Spielerschaft führte. Heute wird die dritte Variante, Counter Strike: Global Offensive, regelmäßig von Valve mit großen Turnieren und einer Million Dollar als Preisgeld subventioniert – ein Hinweis drauf, wie sehr sich die einstige Mod, die jetzt dauerhaft in den Top 3 der Steamcharts residiert, für Valve rentiert.

Auch in der weiteren Geschichte von Valve beweist die Führung um Newell immer wieder ihren Sinn für gute Investitionen und ihr Feingefühl im Umgang mit der Community. Genau wie Counter Strike war auch das eingangs erwähnte ‚DotA‘ oder ‚Defence of the Ancients‘ eine kleine Mod, die heute Millionen von Zuschauern auf der ganzen Welt fasziniert.

Das erste Mal, dass die heute weltbekannten drei Lanes ihren Weg ins Spiel fanden, war in der Mod ‚Aeon of Strife‘, die in StarCraft veröffentlicht wurde. Als 2002 dann aber die Mod in die neue 3D-Engine von WarCraft III aus dem Hause Blizzard Entertainment übertragen wurde, erfuhr sie in der Spielerschaft so wenig Aufmerksamkeit, dass Entwickler ‚Eul‘ spurlos verschwand – aber nicht ohne den Quellcode zu veröffentlichen. Dies war der Grundstein für eine ganze Welle an DotA-Varianten, mit deren Hilfe die drei Lanes im gesamten Battle.net bekannt wurden.

Die Fülle der Web-Angebote, die die Anhänger der Mod außerhalb des Battle.net schufen um in Verbindung zu bleiben, wuchs mit jedem Tag. Das erste Forum ‚9nid‘, dass ursprünglich auf wenige hundert Nutzer ausgelegt war, konnte dem Ansturm nicht mehr standhalten. So gründete das 2004 etablierte ‚Team DotA Allstars‘ die erste offizielle Seite ‚Dota-Allstars.com‘, welche mit täglich über einer Million Seitenaufrufe und hundert Mitarbeitern über viele Jahre hinweg die zentrale Anlaufstelle für DotA Fans weltweit sein sollte. Innerhalb der Foren dauerte es nicht lange, bis Spieler Teams formten und gegeneinander in immer populäreren Ligen gegeneinander antraten. Diesem Trend konnten sich auch die World Cyber Games nicht entziehen, die 2005 ins Singapur DotA erstmals als offizielle Disziplin führten.

Die Führung der Mod lag nun inzwischen bei dem anonymen Modder ‚IceFrog‘, der sich ganz der Spiel-Balance verschrieb. Zusammen mit ‚Pendragon‘, Leiter des Dota-Allstars Forum erlebte DotA eine goldene Ära. Inzwischen wurde DotA auf der ganzen Welt gespielt, offline ausgetragene Turniere waren keine Seltenheit und auch die Preisgelder rangierten in damals unüblich hohen Bereichen.

Auch wenn professionelle Spieleentwickler mehr als vier Jahre brauchten, um das Phänomen ‚DotA‘ zu bemerken, so ging dann, 2009, alles sehr schnell. Die Entwickler rund um IceFrog wurden für die Headhunter diverser Entwickler freigegeben und, einem Ausverkauf nicht unähnlich, an den Meistbietenden abgegeben. IceFrog selbst wechselte zu Valve, während Pendragon mit dem frisch gegründeten ‚Riot Games‘ auf Tuchfühlung ging. Weitere Projekte von ehemaligen Dota Allstars Entwicklern waren unter anderem ‚Heroes of Newerth’ und ‚Demigod‘.

Ermutigt vom Erfolg und der Popularität, den Counter Strike im Esport erlangt hatte, kündigte Valve dann ‚Dota 2‘ mit einem Turnier auf der GamesCom an – von Anfang an auf den Esport ausgelegt. Zusammen mit IceFrog hatte man sichergestellt, dass die Wurzeln und das Spielgefühl der WarCraft Mod auch in Dota 2 wiederzufinden sind. Unterstütz von der wachsenden Popularität von Steam und von Esport im Allgemeinen, ist heute das Spiel so weit gewachsen, dass es jeden Monat über 12 Millionen Spieler verzeichnen kann.

Aktuell scheint es so, als ob Valve die Position an der Spitze der erfolgreichen der Mod-Adaptionen nur noch verteidigen möchte. Blizzard Entertainment, die seinerzeit die Entwicklung rund um DotA sträflich ignorierten, können bis heute auch mit einem Rechtsstreit gegen Valve und einer eigenen DotA-Variante (‚Heroes oft the Storm‘) keinen Erfolg im DotA-Geschäft verzeichnen. Stattdessen konzentriert man sich in Irvine auf die Etablierung des Helden-Shooters ‚Overwatch‘ der, wie es die Ironie des Schicksals nun einmal will, Ursprünge in der Mod ‚Team Fortress‘ aus dem Hause Valve hat.

Zusätzlich schaut die Esport-Welt seit Kurzem auf ‚Playerunknown Battlegrounds‘, welches ebenfalls durch die konsequente Weiterentwicklung einer Mod zu einem Vollpreistitel mit professionellem Entwicklerstudio wurde und zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Blogs gerade die Spieleranzahl von Dota 2 auf Steam überboten hat.

Der Esport verdankt fähigen Moddern einen Großteil der (Spiel-)Ideen, die heute von Millionen von Menschen genossen werden – sei es nun als aktiver Spieler oder als Zuschauer bei den unzähligen Esport-Events. Die Historie beweist, dass jeder Entwickler auf Mods ein besonderes Augenmerk haben sollte, denn wenn Spieler selbst zum Entwickler werden, besteht die Chance, dass sich ein Welthit anbahnt.

 

Geschrieben von Elias Günther, Editor für PENTA Sports.

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